Mit Volksmusik aus Afghanistan lockerten diese Musiker die Lesung in der Remisengalerie des Kulturvereins Hanau auf. Dort wurde das Buchprojekt „Gesichter der Flucht“ vorgestellt, dem schon bald ein zweites Buch „A Taste of Heimat“ folgen wird. © Kögel

 

Hanau - „Gesichter der Flucht“ heißt ein vom Hanauer Kulturverein herausgegebenes Buch mit Interviews von Flüchtlingen aus Hanau und Umgebung. Von Dieter Kögel

Nun berichteten einige der Betroffenen bei einer Veranstaltung des Vereins in der Remisengalerie des Schlosses Philippsruhe persönlich von ihrem Schicksal. Und ihre Geschichten waren durchweg bewegend. Denn es sei eine Sache, die Bilder von Krieg, Zerstörung und Leid täglich auf dem Bildschirm zu sehen, meint Robert Elbe vom Kulturverein, der das Projekt zusammen mit Initiativen der Flüchtlingshilfe aus Hanau und Maintal vor mehr als einem Jahr angestoßen hat. Das sei „sehr anonym“. Dem Kulturverein sei es deshalb wichtig gewesen, „die Menschen hinter den Nachrichten“ zu zeigen und zu Wort kommen zu lassen. Dies sei auch ein Beitrag des Hanauer Kulturvereins zur Willkommenskultur.

Denn das, was die Interviewten gemacht hätten, „das haben sie noch nie getan“. Nämlich die Öffentlichkeit an ihre Geschichten teilhaben zu lassen. Und bei den Gesprächen „gab es sehr bewegende Momente“, erklärte Elbe. Alleine die Fluchtgeschichte von Mirwais Tajik aus Afghanistan, sie könnte ein Buch füllen. Der ehemalige Englischlehrer aus Afghanistan spricht sechs Sprachen. Als Christ wurde er bedroht und verfolgt, als Flüchtling wurde er in Europa von Land zu Land verschoben, mehrmals verhaftet, bis er in Maintal ankam und dort zur Ruhe kommen konnte.

Am Frankfurter Flughafen könnte er einen Job als Dolmetscher bekommen, wenn, ja wenn er endlich seine Aufenthaltserlaubnis bekommen würde. Aber das, so sagt Mirwais Tajik, kann „noch Monate dauern“. Auch Alexander Jarjoura aus Syrien hofft noch auf seine Genehmigung. Der ehemalige Betriebswirtschaftsstudent, der seinen Bachelor bereits in der Tasche hat, würde in Deutschland gerne sein Studium bis zum „Master“ fortsetzen. Aber der Zugang zum deutschen System ist ihm noch versagt.

Und so geht es vielen Menschen, die hier gestrandet sind, und die Hoffnung auf ein besseres Leben vor allem in Frieden für sich und ihre Familien nicht aufgeben. Denn die Bilder von Krieg, Leid, Not, Elend und Flucht, sie werden mit Veranstaltungen wie dieser erfahrbar, greifbar, fühlbar, die einzelnen Menschen treten in den Vordergrund, geben letztendlich allen Flüchtenden ein Gesicht.

Denn immer sind sich die Geschichten irgendwie ähnlich. Auch die der afghanischen Musiker, die zwischen den persönlichen Berichten der Flüchtlinge Volkslieder aus alter Zeit anstimmten. Liebeslieder zumeist, die die männlichen Sehnsüchte nach der scheinbar Unerreichbaren ebenso zum Thema haben wie die musikalische Verehrung der insgeheim Geliebten.

Schöne Klänge, schöne Bilder. Denn Bilder gab es im Rahmen einer Bilderschau auch. Fotografin Maria Dorn hatte Syrien im Jahr 2006 privat bereist. Natürlich mit der Kamera. Ihre Bilder zeigen noch ein friedliches Syrien: Faszinierende Landschaften, bunte Märkte, offene, lachende Menschen, buntes, quirliges Leben am Hafen, Normalität eben, von der das Land heute, nur zehn Jahre später Lichtjahre entfernt ist.

Zu dem Wenigen, das die Flüchtenden auf ihrem beschwerlichen Weg in eine friedlichere und sicherere Welt im Gepäck hatten, gehörten auch ihre Rezepte, wie der Autor Gerhard Roth festgestellt hat. Grund genug für ihn, in Zusammenarbeit mit dem Kulturverein bereits das zweite Buch im Rahmen des Projektes herauszubringen. „A Taste of Heimat“ heißt es. Darin enthalten sind leckere Rezepte aus dem Irak, aus Afghanistan, Pakistan, dem Iran und aus Syrien. Und, so Roth, es sind beileibe nicht nur die Frauen, die in der Küche das Sagen haben. Auch viele Männer stehen am Herd und verraten ihre Lieblingsrezepte wie „Butterchicken mit gebranntem Kurkumareis“, die „Syrische Reispfanne“ oder das „Afghanische Zwiebelfleisch auf Fladenbrot“. Kostproben daraus gab es in der Remisengalerie ebenfalls, gegen eine Spende, durch die beispielsweise die Teilnahme von Kindern an Klassenausflügen finanziert werden soll, für die das knappe Budget einer Flüchtlingsfamilie normalerweise nicht ausreicht.