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Willi Brüggemann – Maria Dorn –Erika Herbert – Jane Kleinschmit – Almut Knebel
Antje Michael – Mojgan Razzaghi – Udo Reckmann – Wilma Roth
Joachim Rother – INK Sonntag-Ramirez Ponce – Marianne Walter

Gäste:
Hugo Pimentel – Ahmad Rafi

Online-Künstler*innengespräch 25. März 2021 18 Uhr

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Die Teilnehmerzahl ist auf 20 begrenzt.

Nach Anmeldung erhalten Sie eine Mail mit dem Veranstaltungslink und den Zugangsdaten.

 

Die rassistisch motivierten Morde am 19. Februar 2020 in Hanau haben den Hanauer Kulturverein dazu veranlasst, seine Mitglieder-Ausstellung 2020 erstmals unter ein gemeinsames Thema zu stellen, das Rassismus, Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit behandelt. Unter dem Titel "Herkunft: Erde!" greifen die Künstler*innen der Remise diese Problembereiche mit ihren unterschiedlichen Genres Fotografie, Malerei, Objekte, Skulptur und Zeichnungen in ihrer eigenen Weise auf.

 

Wir sind trotz aller Vielfältigkeit und Unterschiede doch alle Kinder einer Mutter Erde mit ähnlichen Bedürfnissen und Wünschen und dem Recht auf ein gutes Leben. Die Grundvorraussetzungen eines menschlichen Zusammenlebens wie Friede, Toleranz, Empathie und Achtung lassen keinen Raum für Hochmut, Hass und Gewalt.

Coronabedingt musste diese für den November 2020 geplante Ausstellung leider ausfallen. Zum Jahresgedenken des Anschlags in Hanau haben wir uns entschlossen, diese Ausstellung nun vorab online zu präsentieren. Es ist geplant, die Ausstellung im November 2021 in unseren Räumen der Remise des Schlosses Phillipsruhe live zu zeigen.

 

Hier geht es zu den virtuellen Galerieräumen:

 

 

Als Alternative für langsamere Internet-Verbindungen haben wir im Folgenden das Format "Scrollytelling" gewählt, in dem die Besucher*innen sich die einzelnen Werke mittels scrollen ansehen können.
Die Künstler*innen erscheinen hier – allerdings mit jeweils nur einer Arbeit – in alphabetischer Reihenfolge:

 

Willi Brüggemann

Ertasten von Schwarz und Weiß

Skulptur

Diese Idee ist Resultat einer lang dauernden Erörterung im Freundes- und Familienkreis über die Schwierigkeit, meinen Beitrag zum Ausstellungsthema mit abstrakter Skulptur zu gestalten.

Für alle Menschen, die sehen können, stellt der Kontrast schwarz/weiß ein anspielungsreiches Klischee dar und endet oft in dem Wunsch oder der Forderung, beide mögen bitte gleich behandelt werden.

Blinden Menschen hingegen kann ein Farbunterschied gleichgültig sein. Äußerliche Ähnlich-/Gleich- oder Gegensätzlich-/Unterschiedlichkeiten lassen sich für sie eher über Berührung und das Ertasten begreifen.

Diese Dimension ist so viel komplexer und differenzierter, und sie entfernt alle Beteiligten weit weg von jeglichem Klischee.

(Dank an Marie und Erika)

Info zu den Skulpturen:
Schwarz: ohne Titel – 2019 – 20x20x16 cm – Französicher "Noir de Mazi"
Weiß: ohne Titel – 2008 – 28x27x17 cm – Italienischer Carraramarmor


 

Maria Dorn

about the hope of butterflies crawling in someones mind
(Von der Hoffnung auf Einnisten von Schmetterlingen in den Verstand)

Fotografie abstrakt –2020

Eine von Menschen, Zeit und Wetter geschaffene, von mir vorgefundene Situation auf einer Litfaßsäule.
Von der Möglichkeit der Unterwanderung alter, überkommener Ansichten. Der Schmetterling ‐ als Sinnbild für Verwandlung und Verliebtsein ‐ unterwandert veraltete, verhärtete, feindliche Gesinnungen. Neue Denkmuster und Verhaltensmöglichkeiten können sich einnisten und heranwachsen. Von Humanität und Liebe geprägte Gedanken werden dann zu Taten und in die Welt hinausgetragen.


 

Erika Herbert

Zwiespalt

Fotografie auf Alu Dibond, 80x80 cm – 2020

Das Holocaust Denkmal in Berlin ist in Gestaltung und Ausdehnung für mich eine der beeindruckendsten Gedenkstätten gegen Völkermord, Rassismus und Gewalt.

Bedrückende, fast unheimliche Gefühle kommen auf beim Gehen durch die Gänge zwischen den Quadern, besonders, wenn kein anderer Mensch zu sehen ist; man wähnt sich in einem riesigen Irrgarten und befürchtet, den Ausweg nicht zu finden.

Meistens war das Denkmal bei meinen Besuchen bevölkert von unterschiedlichen Menschen aus vielen Ländern, Touristen und Schülergruppen, die sich alle auf ihre eigene Art damit beschäftigten. Dieses Mahnmal wird sicher niemand je wieder vergessen.

Bei einem Aufenthalt im Frühling, als wenige Besucher anwesend waren, bot sich mir das dargestellte Bild.
Der Gegensatz von oder die Verbindung zwischen den grauen Stehlen und den bunten Vögeln, fast wie im Zwiegespräch, dem Toten und dem Lebendigen am selben Ort stimmte mich heiter und hoffnungsvoll.

Geboren 1950 und aufgewachsen in Hanau ist mir das Thema Rassismus und Gewalt von Kindheit an bewusst, da ein Familienzweig am 19.März 1945 beim Luftangriff auf Hanau ums Leben kam.

Gesellschaftliche Veränderungen bringen zunehmend Hass und Ausgrenzung mit sich, immer öfter gegen Bevölkerungsgruppen, die heute mit uns zusammenleben. Der 19. Februar 2020 ist nur ein Beispiel davon.

Mahnmale halten Erinnerungen an Unrecht wach und tragen zu einer humanen, respektvollen Zukunft bei.


 

Jane Kleinschmit

Rot

Öl auf Leinwand, 60x80 cm – 2020

Die unfassbare Grausamkeit bleibt. Hoffnung birgt der ferne Lichtschimmer am Horizont.


 

Almut Knebel

Imagine

Foto, Papier, Öl, Acryl auf Leinwand, 100x100 cm – 2020

In 5 -7 Schichten geklebt wurden eigene Aufnahmen der Frankfurter Parade der Kulturen aus 2010 sowie Trachtenfotos, Länderflaggen, Regenbogenfahne, Martin Luther King, Peace, Friedenstaube, Symbole der 3 großen Weltreligionen. Trachten stehen für mich als Ausdruck der eigenen Kultur, Tradition und Herkunft - alle Völker und Nationen haben sie (gehabt). Durch das Decollagieren – Aufreißen und Abtragen der Fotoschichten – verweben sich die Bilder ineinander und ergeben in der Tiefe ein neues.

Als Künstlerin, die im Ruhrgebiet geboren und aufgewachsen ist, ist das Miteinanderleben und trotzdem die eigene Identität nicht zu verlieren kein Widerspruch und immer selbstverständlich gewesen. Zu meinen Freunden und Bekannten zählen Menschen mit Herz verschiedener Nationalitäten, Religionen und Hautfarben, die mein Leben bereichern und die ich nicht missen möchte.

Eine Gesellschaft im „Miteinander“ lebt u. a. von der Offenheit für, der Neugier auf und der Toleranz und Respekt des jeweils anderen Fremden.

Der ursprüngliche Arbeitstitel "Dream on" kann als Frage, Aufforderung oder Antwort naiv, hoffnungsvoll, kämpferisch, fordernd, aber auch zynisch und desillusioniert wahrgenommen werden. Sind wir als Gesellschaft gescheitert?

Ich möchte weiter daran glauben, dass wir in erster Linie als Menschen wahrgenommen werden und in unserer Vielfalt friedvoll miteinander leben können. Deshalb habe ich mich für den Titel „Imagine“ entschieden. Es bleibt ein immerwährender Prozess, unsere Aufgabe als Gesellschaft, unsere Hoffnung.


 

Antje Michael

Trauernde

Bronzeabguss, 23x16x22 cm

Am 19.02.20 ist in Hanau großes Leid geschehen durch den furchtbaren Mordanschlag. Die Trauernde drückt dieses Leid aus.


 

Hugo Pimentel

Pick up the pieces

Collage, Acryl

Die Inspiration zu diesem Gemälde ist in der Zeit nach dem Mord an George Floyd im Anschluss an einen Traum entstanden.

Sie zeigt zwei mächtige Männer, erkennbar an ihren Anzügen, deren verfremdetete Köpfe von Fäden gezogen, d.h. von oben manipuliert werden. Kennzeichen und Mittel ihrer Macht sind Schachfiguren und Würfel, beide strategisch einsetzbar, aber auch von Glück und Zufall abhängig.

Die Collagen in den Köpfen zeigen viele verschiedene Menschen. Es geht im Endeffekt immer um die Menschen, um farbige, weiße, junge, ältere, fröhliche und ernste Menschen. Aber die wichtigen und für die Menschen meist schicksalhaften Entscheidungen in dieser Welt werden in den Köpfen der Mächtigen getroffen: manipuliert, strategisch vorbereitet und oft von Zufall und Glück abhängig wie im Würfelspiel.


 

Ahmad Rafi

Zur freundlichen Erinnerung, Dein Georg, Mai 1944

Öl auf Leinwand, 138x110 cm – 2008

Eine schwarz-weiß Fotografie aus dem Privatalbum der Familie Hoerler diente als Vorlage für das Gemälde. Diese Aussage ist das Erinnerungswort, das eigenhändig auf der Rückseite des Fotos vom Wehrsoldaten Georg geschrieben wurde, nachdem er sich im Mai 1944 in einem Studio von einem Fotografen fotografieren lässt. Er überreicht das Foto persönlich seiner Verlobten Erna Fabian. Viele Jahre später erinnerte sich Erna: Das war das letzte Treffen mit Georg, er sah an dem Tag verloren aus.

Das durch Komplementärfarben ausgeführte schwarz-weiß Gemälde stellt den Soldaten Georg in Uniform dar. Während des Malens habe ich mich mit seinem Wesen als Menschen befasst und bin gezwungener Weise durch seine Uniform und durch seine Haut durchgedrungen und habe seine inneren Konflikte begriffen. Ich sah in ihm sowohl Täter als auch Opfer.


 

Mojgan Razzaghi

Fotografie

Seit meiner Studienzeit in Teheran beschäftigt mich das Thema "Frauen". Frauen unterschiedlicher Kulturen und Gesellschaftsformen weltweit werden oft in diskriminierender Weise Grenzen gesetzt.

Ich zeige Frauen, die diesen "roten Linien" trotzen. Sie finden kreative Wege für ihre Talente und nehmen manchmal dafür die höchsten Hürden ‐ stigmalisiert und kriminalisiert zu werden ‐ in Kauf.

Diese Frauen haben meine Sinne geweckt und sind Keime meiner Kunst. Meine Fotos sind die Ergebnisse von Gedanken, Gefühlen, sowie eigener Erfahrungen.


 

Udo Reckmann

Rassismus ist Scheiße – immmer und überall!

Acryl auf Leinwand, 80x80 cm – 2020

Den reißerischen Titel habe ich gewählt, damit die Botschaft eindeutig ist.
Ich bin der Meinung, dass Kunst nur wenig bis gar keinen Einfluss auf die politische Entwicklung einer Gesellschaft hat. Sonst hätte es das Naziregime nicht gegeben, bei der guten politisch motivierten Kunst der 20er und 30er Jahre.
Der rechte Terror war nie weit weg von mir. Beim Brandanschlag 1993 in Solingen lebte ich nur wenige Kilometer vom Anschlagsort entfernt. 2004 beim NSU-Anschlag in Köln wohnte ich eben dort. Und, im Februar 2020, wohnten wir gerade drei Jahre in Hanau-Kesselstadt. Gute politische Kunst zu machen, die sowohl künstlerisch gut ist als auch politisch den Punkt macht, ist schwer. Und nicht meine Stärke.
Das Bild ist wenige Monate nach dem Anschlag entstanden. Die Idee kam, wie oft, im grübelnden Halbschlaf. Schöne, farbenfrohe Tulpen stehen im Vordergrund. Es scheint ein fröhliches, buntes Bild zu sein. Die Tulpe, eine Pflanzenart und doch so vielfältig, natürlich ein Stellvertreter für uns Menschen.
Auf den zweiten bis vierten Blick ist im Hintergrund jedoch noch etwas anderes zu erkennen, oder wenigstens zu erahnen: rote Trauerkerzen, eine größere weiße Kerze, #Hanau, ein trauerndes Gesicht? (vielleicht)....Hier sollte der Bezug zum Hanauer Anschlag klar werden.
Literaturtipp: "Rechte Bedrohungsallianzen" von Heitmeyer, Freiheit, Sitzer, edition suhrkamp, 2020


 

Wilma Roth

Neue Heimat?

Beton, Edelstahldrähte, Zeitungspapier, 31x21x86 cm – 2020
Die Zeitungsausschnitte sind aus dem Irak, aus dem Libanon, der Türkei, aus Russland und Nordafrika.
Die Acrylfarbe ist in Rettungswestenorange

Auf hohen Edelstahlstäben treiben sie im Wind…
Boote und kleine Papierschiffe, gefaltet aus Zeitungen verschiedener Krisengebiete der Welt…
in der Hoffnung auf Rettung und auf der Suche nach einer neuen Heimat.


 

Joachim Rother

ohne Titel

Acryl / Mix Media, 100x80 cm – 2020

Der Grundgedanke, dass sich Hass und Gleichgültigkeit beinahe die Hände reichen, kam mir aus Erlebnissen mit Menschen auf dem Kurt‐Schumacher‐ Platz in der Weststadt in den Sinn – am einem der Tatorte vom 19.02. An diesem Tatort, in dem Flur dazu und auf dem Parkplatz, waren längere Zeit Gedenkstätten eingerichtet. Durch Angehörige und Freunde der Opfer gestaltet und stets gepflegt. Viele Menschen verharrten an diesen Orten, meist still und ernsthaft. Das hat mich beeindruckt.

Und nur wenig Abseits dieser Trauerorte: Die kurzen abschätzigen Gespäche, schnelle dumme Bemerkungen, unsensible Sprüche und der unterschwellige Hass haben mich beinahe sprachlos gemacht. Unglaubliches gibt es da zu hören: Der Steinmeier, die Merkel und der Kaminsky überteiben und sollen sich um uns kümmern, die Anderen sind sowieso zuviel hier... das nur als Beispiel.

Unglaubliches spielt sich da ab. Ich denke aber, die Mehrzahl der Leute wollen von nichts etwas wissen, gehen vorüber als wäre nichts geschehen. Es geht sie nichts an. Sie wollen nicht gestört werden. Es ist ihnen offensichtlich gleichgültig, dass hier unter ihnen aus niedrigen Gründen gemordet wird.

Von daher kommen im Plakat "Hass und Gleichgültigkeit" zusammen. Zum Hass noch einige Gedanken: Wer hasst, dem ist es nicht genug damit. Er findet Worte und die Worte sind nicht genug, deshalb müssen Taten folgen. Worte sind Taten am Küchentisch, Essenstisch, in der Kantine, beim Stammtisch und bei der Stimmabgabe für die AfD... Im allerschlimmsten Fall wird Mord daraus.

Noch etwas zum Plakat: Es sind drei Fahnen zu sehen. Links die Stadtfahne von Hanau ‐ gemeint ist der 19.02. Fahne in der Mitte: Hessen ‐ gemeint sind die Morde an Regierungspräsident Walter Lübcke und auch der dem NSU geschuldeten Mord in Kassel. Rechts die Fahne der Bundesrepublik ‐ gemeint sind die mehr als 400 Hassmorde seit Kriegsende mit fremdenfeindlichen und politischen Motiven. (Die Antifa spricht von doppelt so vielen).


 

INK Sonntag-Ramirez Ponce

Am Himmel sind alle gleich I

Bleistift und Farbstift auf Papier, gerahmt 55x44x4 cm

Die Zeichnung zeigt Federn von Buntspecht, Rabenkrähe, Bussard und Elster.
Sie alle sind völlig unterschiedliches im Aussehen, in Farbe, Form und Größe. Und doch fliegen diese Vögel ganz gleichberechtigt an unserem Himmel.
Könnte es für uns Menschen auf der Erde nicht ebenso sein?


 

Marianne Walter

Varieté – Die ganze Welt auf einer Bühne II

Fotografie auf Leinwand, 60x80 cm – 2020

"Einheit der Vielfalt" ist das Grundprinzip des Varieté, kaum möglich ohne "Respekt und Toleranz".
Künstler aus verschiedensten Kulturen mit unterschiedlichen Religionen arbeiten und leben auf engstem Raum zusammen, um ihren gemeinsamen Traum zu verwirklichen. Das aktuelle Ensemble des "Tigerpalast" in Frankfurt am Main kommt z.B. aus Argentinien, Canada, Deutschland, Frankreich, Italien, Kasachstan, Niederlande, USA und Sibirien.